Text on the exhibition "Endgame" (2023) at Galerie Mellies
by Andreas Nitschke
Den diesjährigen Ausstellungsreigen eröffnet der Berliner Künstler Frank Jimin Hopp mit seiner für einen Jahresanfang zunächst fast unpassend klingenden Schau „Endgame“. Sie vereint farbintensive, gestische Bilder und expressive kleinformatige Skulpturen, mit denen er bereits renommierte Preise und Stipendien gewonnen hat.
Kurz nach Beginn seines Studiums an der UdK in Berlin begab er sich auf regelrechte Wanderjahre und absolvierte jährliche Austauschprogramme zur Universidad Compluente nach Madrid, zum renommierten Chelsea College of Arts nach London sowie zur Hongik University nach Seoul. Dabei vertiefte er nicht nur seine Studien der Freien Kunst, er vernetzte sich auch über die deutsche Kunstszene hinaus und stellte seine Kompatibilität für den Kunstmarkt auch international auf den Prüfstand.
Erste Karriereschritte mit zahlreichen lobenden Erwähnungen seitens der Kunstkritik bis hin zu Ausstellungen in Spanien und Italien, in Warschau, London, Amsterdam, New York und Seoul stellten sich aufgrund seiner sehr bewusst gesetzten internationalen Wegmarken beinahe schon folgerichtig ein. Hervorzuheben ist darüber hinaus jüngst eine Beteiligung an der Documenta 15 in Kassel im vergangenen Jahr.
Er erhielt u.a. eine Auslandsförderung des Cusanuswerks, einen Preis der Walter-Stöhrer-Stiftung und war Artist in Residence im Künstlerhaus Neumünster.
Sein Werk ist geprägt durch ein gleichgewichtiges Miteinander von Malerei und Skulptur und entfaltet in ihrer interdisziplinären Herangehensweise eine feine, sich bedingende und erstaunlich ausgereifte Wechselwirkung der Materialien.
Im Januar diesen Jahres zeigte unlängst die Ausstellung „Strange Clay – Ceramics in Contemporary Art“ in der Hayward Gallery in London, wie frisch und unverbraucht das Medium Keramik in der jüngsten zeitgenössischen Kunst gerade eingesetzt und gleichzeitig, wie begeistert sie international rezipiert wird.Dass Frank Jimin Hopps Keramiken genauso strange sind, wie seine jungen arrivierten Mitstreiter:innen in London es gerade erst gezeigt haben, steht außer Zweifel. Er kann sich mühelos in diese Phalanx junger Keramikkünstler:innen einreihen und vermag, genau wie sie, das angestaubte Medium der Keramikkunst neu zu beleben und aus der Ecke der traditionellen Gebrauchskeramik zu befreien.
Frank Jimin Hopps Skulpturen erinnern in ihrer Kindlichkeit an die Arbeiten von Joakim Ojanen oder Tommi Toija. Seine Sneaker zeigen Parallelen zu den Turnschuhen und Alltagsgegenständen aus Jugendkultur und Pop der Bildhauerin Rose Eken. Und wie modern er seine Keramiken mit Farbe lasiert, offenbart Querverweise und eine gewisse Verwandtschaft zu den Skulpturen von Lindsey Mendick, Klara Kristalova oder Asana Fujikawa.
Seine raue und schwungvolle Art zu malen finden wir formal in den Bildern Dieter Kriegs wieder oder in den Farbfurchen eines Anselm Kiefer. Die ins Bild gesetzten verwischten Figuren erinnern an George Rouy oder Haein Kim und zeigen Analogien zu den Videospiel-Gemälden Gao Hangs. Bei seinen Mode-Logos, Sneakern und Versatzstücken aus Comics scheint Katherine Bernhardt Pate gestanden zu haben. Und seine grell-exaltierte Farbpalette erinnert an Austin Lee.
Frank Jimin Hopp bespielt ein und dieselbe Klaviatur.
Spannend ist die mehrfache Kodierung des Ausstellungstitels „Endgame“. Zum einen finden wir Frank Jimi Hopps Affinität zu Videospielen und Comics wieder. Sofort fällt einem dazu der Marvel-Blockbuster „Avengers: Endgame“ von 2019 ein. Das Absurde in seinen Skulpturen und Bildern ist kongruent zu dem Theaterstück „Endgame“ von Samuel Becket und ähnlich rätselhaft, nur das man bei ihm in die Bilder zu versinken droht und nicht in die Theaterbühne. Er selbst findet seine Arbeiten auch im Einklang mit einem grafischen Zyklus Dürrenmatts namens „Endspiel“. Allem wohnt eine Sorge inne, untätig und sehenden Auges einer Art Weltuntergang beizuwohnen.
Insofern sind seine symbolischen Arbeiten gerade jetzt in Zeiten von Krieg und Klimagefahr neben der schieren Freude an der Farbe auch als allegorische Mahnungen gemeint, inne zu halten und der Absurdität der Welt etwas Eigenes, im besten Falle Kreatives entgegen zu stellen.
Text on the exhibition "Ruptured Myths of Present" (2023) at Kang Contemporary
by Paula Böke
Frank Jimin Hopp presents his artwork like an unexpected and yet resonating mirror. The viewer is confronted with oddly familiar consumer goods and images from pop culture that are transformed and distorted. They are vessels of forces that slowly threaten to destroy our world. The thematic distortion is underlined by the artist's unique interrogation of the material of ceramics - soft clay is shaped into organic and yet forceful forms. It is defenseless underneath the hand of the artist, echoing the feeling of inevitability and powerlessness in the face of historical consequences such as changing climates and exploitative consumption. Nevertheless, like a coral reef, there is the uncertainty if maybe, instead of reducing, the clay is growing and building, expanding into space. The ceramics enter a reciprocal dialogue with the artist's paintings. Like the clay, Hopp interrogates the medium of painting and develops his own methods and styles. In his current series, his paintings cite the animation of the early 2000s in which two-dimensional panels were combined to create digital shapes. Thereby, the paintings emulate not only early video games but also another crucial progression in creating images; it resembles the aesthetics of Cubism and Futurism. Like this formal art historical cluster, Hopp's artworks often recombine contemporary issues with ancient Korean myths, folklore, or global archetypes. The absurdity of a world in which consumer goods are valued above the planet they are created from is confronted through the artist's satirical humor, which initially misleads and deceives the viewer. A distant view of the artworks leaves us unable to gauge what Hopp reveals in the details of the distorted clay. Only upon closer inspection does the story behind these characters disclose itself — the opulent cakes collapse under the weight of their lavish decoration. The whimsical pig is bursting with the wasteful abundance of the food industry. While colorfully humorous at first, the details reveal that these modern Gods of consumption are, too, unable to bear their weight of their hoarded resources and powerless in the face of decay.
Text on the exhibition "Final Round" (2022) at Galerie im Tempelhof Museum
by Julia Kochanek
Krise, Kampf und Katastrophe sind vielleicht nicht die ersten Begriffe, die einem bei Frank Jimin Hopps Arbeiten in den Sinn kommen. Ihre nicht mit Farben sparende, poppige und ausgelassene Art lassen sie auf den ersten Blick eher harmlos erscheinen. Und doch setzen sich sowohl seine plastischen als auch seine malerischen Werke mit einer der zeitgemäßen Katastrophen, dem immer näher rückenden Klimakollaps, auseinander.
So ziehen sich Bilder und Narrative des Klimawandels über die Keramiken und unterlegen ihr bonbonfarbenes Äußeres mit einer bedrohlichen Konnotation. Ein Meer an Flammen züngelt an Sneakern und Torten hervor, Wellen und Wassermassen greifen um sich, Tierwesen versuchen der Katastrophe zu entkommen und immer wieder beschwören Totenköpfe das nahe Ende des Planenten: Hopp überhäuft seine Keramiken mit beängstigenden Szenarien, die uns heute so vertraut sind, dass sie eigentlich keiner weiteren Erklärung benötigen.
In Krisen wie diesen muss gehandelt, es muss gekämpft, muss eine Lösung gefunden werden. Und hier kommen die Held*innen aus Hopps Malereien und Zeichnungen ins Spiel, denn: keine Katastrophe ohne passenden Helden oder passende Heldin.
In fiktiven Erzählungen tauchen Held*innen-Figuren immer dann auf, wenn sie gebraucht werden, also in Ausnahmesituationen wie Krisen und Katastrophen. Hier verrichten sie ungewöhnliche Taten und bewältigen Herausforderungen von teilweise universalem Ausmaß, denke ich da an die neusten Marvel-Filme, bevor sie sich wieder zurückziehen und im Alltag verschwinden.
So ist das Konzept des Helden, der Heldin, letztlich nichts anderes als das eines/einer fiktiven Problemlöser*in. In der Konstruktion ihrer Figuren spiegelt sich unser Wunsch nach Lösungen wider; einfache Lösungen für komplexe, uns überfordernde Probleme. Die Welt wird bedroht? Superman Bescheid geben und die Katastrophe ist mit ein paar gut gezielten Schlägen gebannt. Wir überlassen den Kampf nur allzu gerne dem Helden, der Heldin, während uns, der Mehrheit, lediglich die Aufgabe des Aufmerksam Machens, Mitzitterns und Hoffens zufällt. Doch so einfach ist es in der heutigen Realität leider nicht.
Hopps Malereien machen uns genau darauf aufmerksam, indem sie über die zeitlich begrenzte Gültigkeit von Held*innen-Konzepten nachdenken. 2 Seine malerische Figuren sind nämlich einer ganz spezifischen Zeit entnommen: sie erinnern hauptsächlich an Held*innen aus Comics, Filmen und Videospielen der 90er und frühen 2000er Jahre.
Damals ging es viel um coole Sprüche, draufgängerische Posen und vor allem um Muskeln. Probleme wurden im Einzelkampf, meist Mann gegen Mann, und mit Gewalt geregelt. Weibliche Heldinnen-Figuren haben es nur selten in den popkulturellen Main-Stream dieser Zeit geschafft. Auch wenn es zahlreiche Protagonistinnen in japanischen Animes gab, wie die in der Ausstellung auftauchende „Sailor Moon“.
Überträgt man diese Figuren jedoch in die heutige Zeit, konfrontiert sie mit der Aufgabe den Zerfall des Planenten zu stoppen, wirken die vor Kraft strotzenden Muskelpakete auf einmal verloren. Denn wie soll man mit reiner Muskelkraft gegen den Klimawandel ankämpfen? Wie soll ein einziger Held, eine einzige Heldin mit Faustschlägen die anhaltende Dürre brechen? Ihnen bleibt nichts anderes übrig, als mit geschocktem und verstörtem Blick, wie sie es auch in Hopps Zeichnungen tun, auf den Notstand der Erde und die eigene Hilflosigkeit zu schauen. Die Figuren, die uns vor so kurzer Zeit, es sind gerade mal 20 Jahre her, noch als fiktive Problemlöser*innen galten, sind heutzutage in ihrer Konzeption obsolet geworden.
Ein anderes Held*innen-Modell muss her. Ein Modell, dass dem Klimawandel mit der richtigen Kraft entgegentritt. Der Klimawandel ist eine Krise von globalem Ausmaß und bedroht die Menschheit in ihrer Gesamtheit. Dementsprechend kann der Ansatz zur Lösung auch nicht in individualistischen Gesten und schon gar nicht in Gewalt zu finden sein. Die Menschheit muss als Kollektiv in den Kampf um den Planeten einsteigen. Sie muss sich aus ihrer eher passiven Rolle, die ihr in klassischen Held*innen-Erzählungen zukam, lösen und aktiv werden. Jeder einzelne, jede einzelne kann und muss sich aktiv in die Errettung der Erde einbringen. Und wenn das in letzter Konsequent heißt, dass jeder oder jede zum Helden, zur Heldin, wird, ist das doch ein schöner Gedanke mit dem man gut schließen kann.